Es kamen einmal ein paar Suchende zu einem alten Zenmeister.
"Herr", fragten sie "was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du."
Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: "Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich."
Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: "Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?"
Es kam die gleiche Antwort: "Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ist und wenn ich esse, dann esse ich."
Die Unruhe und den Unmut der Suchenden spürend, fügte der Meister nach einer Weile hinzu: "Sicher liegt auch Ihr und Ihr geht auch und Ihr esst. Aber während Ihr liegt, denkt Ihr schon ans Aufstehen. Während Ihr aufsteht, überlegt Ihr wohin Ihr geht und während Ihr geht, fragt Ihr Euch, was Ihr essen werdet. So sind Eure Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasst Euch auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein."
Wer Achtsamkeit praktiziert, versucht einen bestimmten „wachen“ Geisteszustand zu entwickeln und ihn zuerst einmal während der eigentlichen formalen Übung aufrechtzuerhalten. Aber es geht darum, ihn immer mehr auch danach in den Alltag zu integrieren.
Gedanken sind wie Wellen. Sie kommen und gehen. Du kannst sie nicht anhalten, aber Du kannst lernen, auf ihnen zu surfen. In der Praxis der Achtsamkeit wird unsere Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment verankert. Das, was gerade präsent ist, wird bewusst gemacht – seien es Körperempfindungen, der Atem, Emotionen, Gedanken oder Sinnenkontakte. Äußere Vorgänge und innere Sinnesreizungen werden klar wahrgenommen. Unsere handlungsmäßigen Reaktionen geschehen nun bewusst, das heißt nicht wie von alleine, wie durch einen Autopiloten gesteuert. Das Gleiche gilt für unsere willentlichen Impulse, die diesen Handlungen grundsätzlich vorausgehen.
Die achtsame Wahrnehmung unserer „inneren Welt“ entspricht nicht unbedingt unserem Naturell. Denn in der Regel läuft eine ständige Flut von Gefühlen, Emotionen, Gedanken, Kommentaren und Plänen oder Erinnerungen in uns ab, ohne dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. Der überwiegende Teil dieser geistigen Prozesse befasst sich mit der Vergangenheit und der Zukunft
Um unsere Gedanken, Emotionen und Sinneseindrücke bewusst zur Kenntnis zu nehmen, ist es hilfreich, diese zu „etikettieren“ bzw. zu „benennen“ – nämlich mit einem spontanen Begriff, der die jeweilige Erfahrung auf den Punkt bringt. Wir können zum Beispiel „benennen“, dass diese oder jene Erfahrung ein „positives“, „negatives“ oder „neutrales Gefühl“ in uns hervorruft.
Oder wir können uns klar machen: Dies ist „ein Gedanke“; oder dies ist „ein gewohntes Denkmuster“. Die Etikettierung hilft uns zum einen dabei, die jeweilige Erfahrung bewusst zu machen, und sie hilft uns auch dabei, diese Erfahrung gleich wieder loszulassen. So sind wir offen für neue Erfahrungen, indem wir immer weniger in sie „eintauchen“.
Dieser ganze Umgang mit unseren Erfahrungen führt dazu, dass wir sie mit einem gewissen Abstand betrachten können und uns nicht wie gewöhnlich „automatisch“ mit ihnen identifizieren. Der Abstand bedeutet andererseits keine Ablehnung. Er ist vielmehr eine betrachtende Nähe.
Alles, was im gegenwärtigen Moment in das Feld meiner Wahrnehmung tritt, wird einfach zugelassen, das heißt gleichmütig angenommen – ohne es zu bewerten, abzulehnen oder daran anzuhaften.
Auch die subjektiven Reaktionen auf diese Wahrnehmungen werden gesehen und voll akzeptiert. Dadurch werden sie zur Grundlage einer bewussten Entscheidung. Anstatt den Reaktionen automatisch zu folgen, können wir nun wirklich bewusst handeln.
Die Grundlage unserer Gefühle und Gedanken sind Sinneswahrnehmungen
Diese sind durch eine Vielzahl von Bewertungen (gut, schlecht, schön, hässlich, schmeckt, schmeckt nicht etc.) bereits so beeinflusst worden, dass sie uns kein objektives Bild mehr vermitteln können.
Dadurch nehmen wir die Welt um uns herum, aber auch unsere „innere Welt“ auf eine bestimmte Weise wahr; und reagieren nach vorher festgelegten Mustern. Die Neurowissenschaft bezeichnet solche Gewohnheitsmuster als „Autobahnen im Gehirn“.
Nehmen wir uns im Alltag auch einmal die Zeit, unsere Wahrnehmungen zu hinterfragen?
Jeder Mensch hat eine Schicht im Unbewussten, in der die Konditionierungen für seine Verhaltensweisen liegen. Ähnlich einem Samenkorn können sie durch verschiedene Faktoren der Umgebung und durch die eigenen Gedanken oder Emotionen „gewässert“ werden. Je öfter auf diese Weise der Samen einer bestimmten Haltung „gewässert“ wird, desto stärker wird diese Haltung. Sie wird zur Gewohnheit und manifestiert sich immer leichter bzw. häufiger.
Wenn jene „wässernden“ äußeren und inneren Faktoren nun Samen von Ärger bestärken, sollten wir uns darum kümmern, dass diese Samen keine Nahrung mehr erhalten und schließlich vertrocknen. Es besteht umgekehrt auch die Möglichkeit, die positiven Samen in uns zu wässern. Denn wenn sich diese zunehmend manifestieren, werden die negativen immer schwächer.
Durch diese Vorgehen kommt es allmählich zu weitreichenden inneren Veränderungen
Ein achtsamer Geisteszustand ist durch Offenheit und Neugierde charakterisiert. Er ist friedvoll, klar und sanft. Mit dieser Haltung ist es immer so, als würde man eine Erfahrung zum ersten Mal machen! Wir hören auf, sie in gewohnte und bereits bestehende Konzepte einzuordnen, wie wir es leider allzu gerne machen. Diese Qualität nennt man einen „Anfängergeist“.
Man kann diese Achtsamkeit leicht als eine Übung im gewohnten Alltag anwenden. Wenn Sie das nächste Mal einem bekannten Menschen begegnen, fragen Sie sich zum Beispiel, wie gut Sie ihn wirklich kennen, ob Sie ihn unvoreingenommen annehmen können, nämlich so, wie er tatsächlich ist, oder ob Sie hauptsächlich Ihre Vorstellungen auf ihn projizieren.
Das Konzept und die Praxis der Achtsamkeit sind ein zentrales Thema in der buddhistischen Lehre. Die Achtsamkeit ist hier unter anderem die Quelle oder das erste Glied der so genannten „Sieben Erwachensglieder“ (Bojjhanga), welche die spirituelle Entwicklung bis zur Befreiung des Geistes beschreiben. Die „rechte Achtsamkeit“ ist auch ein Bestandteil des „Edlen Achtfachen Pfades“ (ariya-atthangika-magga), der mit Ethik, Ruhe und Weisheit resümiert wird.
Dieser „innere Weg“ gilt als die Quintessenz der buddhistischen Lehre.
Sie hat die Überwindung von Gier, Hass und Verblendung bzw. die Befreiung „Nirvana“ zum Zweck.
Mittlerweile ist die Achtsamkeitspraxis seit vielen Jahren Bestandteil verschiedener therapeutischer Ansätze und ebenfalls im Bereich von Coaching und Beratung weit verbreitet.
Achtsamkeit ist eine Fähigkeit in jedem Menschen, die durch gezieltes Training verbessert werden kann. Neurobiologen haben vielfach nachgewiesen, dass konsequente Achtsamkeitspraxis positive Veränderungen in den Strukturen des Gehirns schafft.
Die Achtsamkeit hat eine heilsame Wirkung zum Beispiel gegen Stress, Ängste und chronische Schmerzen oder Erkrankungen. Außerdem führt sie gewöhnlich zu einem bewussteren Umgang mit belastenden Emotionen.
Durch die Achtsamkeitspraxis entsteht zunehmend innere Ruhe und Gleichmut. Dadurch kommt es zu einer klareren Sicht aller Dinge, was einen offenen und bewussten Umgang mit ihnen hier und jetzt ermöglicht. Das steigert unter anderem auch die Effektivität, da man nicht mehr ständig von etwas abgelenkt wird und nicht mehr mehrere Dinge auf einmal erledigen will.
Ein geschärftes Bewusstsein für die körperlichen und geistigen Vorgänge bietet die Chance, das eigene Verhalten klar zu erkennen, zu lenken und dauerhaft positiv zu verändern. Das Handeln wird klar und bewusst, ohne den Reaktionen des „Autopiloten“ ausgeliefert zu sein.
Im Alltag identifizieren wir uns gewöhnlich mit unseren Gedanken und Emotionen. Wir sind uns dessen zum größten Teil nicht bewusst. So „sind“ wir gleichsam das Gefühl oder der Gedanke. Dadurch machen sie uns eine Realität vor, an die wir glauben.
Die Achtsamkeit dient dazu, immer bewusster wahrzunehmen, wovon die eigene Aufmerksamkeit in diesem Moment in Beschlag genommen ist.
Der Zweck der Praxis ist, die wechselnden Prozesse immer klarer zu verstehen, die gerade im Geist ablaufen. Durch das bewusste Wahrnehmen dieser Prozesse kommt es zu verschiedenen positiven Veränderungen.
Wir erfahren zugleich Annahme und Distanz in Bezug auf unsere Gefühle und Gedanken. So können wir unbeeinträchtigt von ihnen das eigene Handeln neu bestimmen. Wir agieren jetzt und reagieren nicht mehr bloß. Dies bedeutet gerade bei leidvollen Emotionen eine tiefe Erleichterung.
Indem wir unsere Bewusstseinsvorgänge klarer erkennen, begreifen wir, dass unsere Gedanken und Gefühle unbeständig sind: Sie entstehen in einem Moment und im nächsten Moment sind sie wieder vergangen. Dies trifft sowohl auf heilsame als auch auf leidvolle Gedanken und Emotionen zu. Durch dieses Verstehen kommt es zu Gleichmut, was eine objektivere Weltsicht bedeutet.
Wir erkennen, wie leidvoll die Identifikation mit bestimmten Gefühlen und Gedanken sein kann; und wie viel Übung notwendig ist, um sich von ihnen zu lösen. Diese Erkenntnis verstärkt unser Mitgefühl mit uns selbst, aber auch für andere, die mit uns gewissermaßen „im gleichen Boot“ sitzen.
Durch die Verankerung im gegenwärtigen Moment und die Abwesenheit von störenden Gedanken, die sich mit der Vergangenheit oder Zukunft beschäftigen, entsteht echte, innere Freude.
Die Erkenntnis, dass sich alles in einem ununterbrochenen Wandel befindet, macht uns bewusst, dass auch alle leidvolle Zustände wieder vergehen.
Die Achtsamkeit macht uns frühzeitig klar, wenn wir in Gefahr sind, aus unseren alten Mustern heraus automatisch zu reagieren. Dadurch eröffnet sich uns die Möglichkeit, neue Perspektiven zu entwickeln und unseren Lebensweg jetzt wirklich positiv zu lenken.
Portia Nelson beschreibt in der nachfolgenden Geschichte den Prozess der Bewusstseinsveränderung durch Achtsamkeit
Autobiographie in 5 Kapiteln
Kapitel 1:
Ich gehe die Straße entlang, Plötzlich befindet sich ein großes Loch vor mir. Ich falle hinein. Ich bin verloren. Ich kann nichts dafür. Nach langen Mühen finde ich heraus.
Kapitel 2:
Ich gehe die selbe Straße entlang. Plötzlich befindet sich ein großes Loch vor mir. Ich tue so, als ob ich es nicht sehe und falle wieder hinein. Ich bin wieder in dieser Situation, aber es ist nicht meine Schuld. Nach langer Zeit finde ich heraus.
Kapitel 3:
Ich gehe die selbe Straße entlang. Plötzlich befindet sich ein großes Loch vor mir. Ich sehe es. Trotzdem falle ich aus Gewohnheit hinein. Meine Augen sind offen. Ich weiß, wo ich bin und trage die Verantwortung. Sofort komme ich wieder heraus.
Kapitel 4:
Ich gehe die selbe Straße entlang. Plötzlich befindet sich ein großes Loch vor mir. Ich mache einen großen Bogen um das Loch.
Kapitel 5:
Ich gehe eine andere Straße entlang.
Die Kraft unserer Gedanken
Was wir denken, beeinflusst mehr, als uns bewusst ist. Die richtigen Gedanken können beim Abnehmen helfen. Alte Menschen verjüngen sich sichtlich, wenn sie in die Umgebung ihrer Jugend versetzt werden und Schmerz-Patienten hilft ein Scheinmedikament, wenn sie nur daran glauben.
Gedanken werden enorm unterschätzt. Tatsächlich haben sie große Macht über unsere Emotionen, die Gefühle, unser Befinden und Handeln. Unsere Gedanken beeinflussen, wie wir die Dinge um uns herum wahrnehmen, bewerten und wie wir darauf reagieren.
Dabei ist das häufig das Resultat unserer Erfahrungen (negativer wie positiver), Erlebnisse in der Kindheit und Jugend. All das ist in unserem Unterbewusstseingespeichert und prägt unser Verhalten und Denken. Wer die Macht der Gedankenunterschätzt, gibt die Kontrolle über sein Leben ab. Das nebenstehende Video aus der WDR Wissenschaftsreihe PLANET WISSEN zeigt, wie stark die Gedanken unser Leben beeinflussen und wir die Macht der Gedanken in unserem Leben nutzen, in neue Richtungen lenken und daraus Vorteile ziehen können.