Bei allen Herausforderungen bietet die Corona- und Ukraine-Krise auch eine Chance, sich unmittelbar und konstruktiv auf unsere Gesundheit und unser Leben zu fokussieren. Als Gegenmittel gegen den Burnout-Prozess haben sich in den letzten Jahren Gesundheitskompetenz und Resilienz entwickelt. Resilienz heißt so viel wie Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen im Allgemeinen, Lebenskrisen, Krankheiten und generellen Belastungen. Sie ist nicht nur innere Stärke, sondern letztendlich die Fähigkeit, sich selbst zu führen und das eigene Leben gemäß den eigenen Fähigkeiten und Werten selbstverantwortlich zu gestalten.
Neben der individuellen persönlichen Resilienz kann man auch auf die Resilienz einer Organisation oder gar einer ganzen Gesellschaft, bis hin zur gesamten Menschheit schauen. Resilienz ist im Grunde eine psychosoziale Kompetenz, die auf der Fähigkeit basiert, sein eigenes Leben gestalten zu können. Es geht darum, wirksam auf unsere eigene Gesundheit und unsere Lebensführung Einfluss nehmen zu können.
Was kann ich konkret tun?
In Bezug auf Corona und das Geschehen in der Ukraine kann dies bedeuten, den Blick von der Angst, der Bedrohung, der Hilflosigkeit und Ohnmacht hinzulenken zur eigenen Hoffnung, zu Mut, zum Selbstvertrauen, zur eigenen Kraft, zu den eigenen Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf die eigene körperliche und seelische Gesundheit: „Ich bin nicht nur ausgeliefert, sondern ich kann etwas tun!“
Es ist nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, positive Erfahrungen von Lebensfreude, Lebenslust, Kreativität und Glück zu haben, auch um ein inneres Gleichgewicht immer wieder herzustellen gegenüber begründeten Ängsten und Unsicherheiten.
Genauso basiert unsere Resilienz auf unserer Fähigkeit, tragfähige und erfüllte Beziehungen zu entwickeln und zu pflegen. Während physischer Abstand in bestimmten Situationen sinnvoll ist, ist das „social distancing“ begrifflich gesehen katastrophal. Denn es kann gar nicht darum gehen, dass wir sozial miteinander in Distanz treten und damit andere Menschen für uns Fremde werden, Andersartige, Gefährliche. Es geht um Zusammenhalt und Integration und nicht um Distanz, auch im persönlichen Leben.
Social support als wesentlicher Faktor für Resilienz
Ein wesentlicher – vielleicht sogar der entscheidende Resilienzfaktor – ist „social support“, also mitmenschliche Unterstützung. Resilienz entsteht durch tragfähige, unterstützende, ehrliche und letztendlich liebevolle Beziehungen. Gelebte Liebe stärkt unser Immunsystem, trägt uns im Leben, in existenziellen Notsituationen, hilft uns Krisen zu überstehen, zu heilen und vielleicht sogar in Würde zu sterben. Dabei geht es sicher um mehr als um Kontakte und Austausch in sozialen Medien, sondern um die persönliche Begegnung von Menschen, die sich wertschätzen, achten und bereit sind zu unterstützen. Unsere Familie und unsere Eltern brauchen Unterstützung, wir brauchen unsere Freunde, um uns gegenseitig zu balancieren und zu regulieren, aber auch, um miteinander glücklich zu sein und das Leben zu feiern. Wir sind herausgefordert zu sozialer Verantwortung, aber auch zu sozialer Reife und dem Respekt gegenüber Menschen, die eine andere Meinung haben.
Geistige Kompetenz als Grundlage für Resilienz
Die vielleicht interessanteste Grundlage der Resilienz ist geistige Kompetenz. Dies bedeutet sowohl die Fähigkeit zur geistigen Klarheit als auch dazu, ein sinnvolles Leben führen zu können. Geistige Kompetenz muss entwickelt und geübt werden. Sie besteht nicht nur in der kognitiven Kompetenz logischen und rationalen Denkens, sondern bedeutet auch, im Sinne der Achtsamkeit oder der inneren Beobachtungsfähigkeit Informationen filtern zu können, sich von vorgefertigten Meinungen und Ideologien lösen zu können, andere Perspektiven und Blickwinkel einnehmen und damit auch Komplexität zulassen zu können. Geistige Kompetenz heißt also, sich gerade in den gegenwärtigen Bedingungen nicht polarisieren zu lassen und selbst auch nicht zu polarisieren in Befürworter oder Gegner, Machteliten oder Verschwörungstheoretiker, Angstmacher oder Verharmloser usw.
Grundfragen des Lebens
Und durch Todesbedrohung und Bewegungseinschränkungen entsteht natürlich auch die Herausforderung, innezuhalten und sich den Grundfragen des Lebens zu stellen:
Sinn zu empfinden und im Leben auszudrücken, hat ein enormes gesundheitsförderliches Potenzial. Es bedeutet, für etwas tätig zu sein, das größer ist als ich und über mich hinausgeht, wie beispielsweise in religiöser, ökologischer, politischer Betätigung, oder für die eigene Familie oder die Nachbarschaft da zu sein. Und angesichts der Endlichkeit und Sterblichkeit des Lebens, auf das wir als Menschen in dieser Zeit aufmerksam gemacht werden, geht es sicher um mehr als um Corona-Resilienz:
Es bedeutet, Sterben als Teil des Lebens betrachten zu können und neben dem sicher notwendigen Kampf gegen vorzeitigen oder unnötigen Tod dem Sterben seine Würde zu geben und es in Mitmenschlichkeit und mit liebendem Herzen zu begleiten. Es bedeutet aber darüber hinaus auch, die Würde des Lebens zu vergegenwärtigen, für das Geschenk dieses Lebens dankbar zu sein und es zu lieben oder lieben zu lernen, wo es uns noch nicht gelingt.
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